Vielleicht kennst du es selbst: Ihr habt den Wunsch, das Badezimmer im Haus zu sanieren, nur leider dauert es sehr lange, bis ein Handwerksunternehmen gefunden ist, welches nicht erst in den nächsten ein bis zwei Jahren das Projekt „Neues Bad” in Angriff nehmen kann.
Was ist der Fachkräftemangel?
Dieses Problem veranschaulicht die Symptome des sogenannten Fachkräftemangels. Viele Unternehmen können über Monate ihre freien Stellen nicht besetzen, sodass Kund:innen entweder lange warten müssen oder Leistungen schlicht nicht erbracht werden können. Allein im Jahr 2022 konnten über 630.000 freie Stellen in Deutschland nicht mit passenden Fachkräften besetzt werden, wie eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt.1
Der Begriff Fachkräftemangel wird meist sehr generell verwendet und umfasst sowohl Fachkräfte als auch Spezialist:innen und Expert:innen. Als Fachkraft wird eine Person mit einer abgeschlossenen, mindestens zweijährigen Berufsausbildung bezeichnet. Sobald eine Person einen Meister oder alternativ Techniker oder einen Fach- beziehungsweise Hochschulabschluss hat, gilt sie als Spezialist:in. Die nächste Stufe bilden Expert:innen. Diese haben mindestens vier Jahre studiert.
Fachkraft
2-jährige Ausbildung
Spezialist:in
Meister, Techniker oder Bachelor
Expert:in
Master oder Doktor
Woher kommt der Fachkräftemangel überhaupt?
Nach deinem Schulabschluss hast du die Qual der Wahl: Machst du eine Ausbildung oder entscheidest du dich für ein Studium? Auffällig ist, dass sich in den letzten Jahren die meisten Abiturient:innen für ein Studium und nicht für eine Ausbildung entschieden haben. Und wenn sie doch einen Ausbildungsberuf erlernen wollten, absolvierten sie diesen tendenziell im kaufmännischen Bereich und nicht in einem handwerklichen. Die Motivation, einen Ausbildungsberuf zu ergreifen, in dem man sehr früh oder sehr spät und unter Umständen körperlich arbeiten muss, ist in den letzten Jahren stark gesunken. Außerdem spielt das Gehalt für viele junge Menschen eine entscheidende Rolle bei der Wahl ihres Berufs, wodurch sich immer mehr für ein Studium entscheiden, das später höhere Einkünfte verspricht. Diese Tendenz verstärkt sich zusätzlich durch das bevorstehende Ausscheiden der sogenannten Babyboomer, also der Menschen aus der Generation, die zwischen 1946 und 1964 geboren wurden. In Folge dieser Entwicklungen verstärkt sich der Fachkräftemangel in Deutschland zusehends und es fehlen Leute, die beispielsweise Berufe in der Pflege oder im Handwerk erlernen wollen.
Branchen mit Fachkräftemangel:
- Medizin
- Ingenieurwesen im Maschinen- und Fahrzeugbau
- Elektrotechnik
- IT und Softwareentwicklung sowie Programmierung
- Elektroinstallation und -montage
- Zerspanungstechnik
- Kunststoffverarbeitung
- Rohrleitungsbau
- Schweißtechnik
- Maschinenbau
- Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege2
Welche Folgen hat der Fachkräftemangel?
Der Mangel an geeigneten Fachkräften wirkt sich unter anderem auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und auch die Politik aus. Schaut man sich zum Beispiel den Beruf der Anlagenmechaniker:in an, sieht man, dass diese in vielen Bereichen notwendig sind: Sie sind für die Wasserversorgung, aber auch für den Einbau von Heizungs- und Klimaanlagen verantwortlich. Wenn sie fehlen, kann der in Deutschland benötigte Wohnraum nicht zur Verfügung gestellt werden und auch die Ziele der Energiewende hängen von der Verfügbarkeit der entsprechenden Fachkräfte ab.
Folgen für die Unternehmen
- Mehrbelastung für die Angestellten
- steigende Arbeitskosten
- eingeschränktes Angebot
- weniger Wettbewerbsfähigkeit
Folgen für die Gesellschaft
- Innovationen und Wirtschaftswachstum stocken
- öffentliche Angebote werden eingeschränkt:
- Care-Arbeit
- Wohnungsbau
- Gesundheitswesen
- öffentl. Nahverkehr
Wir alle sind betroffen
Diese Situation führt zwar einerseits dazu, dass Unternehmen ihre Preise stark erhöhen können und dennoch mehr Aufträge hereinbekommen, als sie bearbeiten können. Doch andererseits müssen Privatkund:innen lange auf bestimmte Leistungen warten oder sie selbst übernehmen, wodurch häufig der eigene Job leidet, wenn etwa Angehörige gepflegt werden müssen. Bei Geschäftskund:innen kann der Fachkräftemangel im eigenen Unternehmen oder auch bei Drittfirmen dazu führen, dass notwendige Umbauarbeiten oder Investitionen nicht stattfinden können und die Wirtschaft an dieser Stelle stagniert.
Knapp 250.000 Handwerker:innen, Elektriker:innen, Dachdecker:innen und Bauplaner:innen fehlen in Deutschland.3
Schaut man sich den Bereich der Pflege oder andere soziale Berufe an, ist über kurz oder lang jede:r betroffen. Denn wenn Angehörige nicht mehr ausreichend gepflegt werden oder Kinder nicht mehr betreut werden können, leidet die Arbeitsfähigkeit aller.
Die Bildungslücke:
In vielen Fällen können die Bewerber:innen nicht das, was Unternehmen fordern. Das gilt sowohl für die, die gerade erst ihre Ausbildung oder ihr Studium abgeschlossen haben als auch für Berufserfahrene. Daher sollte sich jede:r bemühen, im eigenen Feld up to date zu sein.
Was können wir tun?
Klar ist, dass sich am bereits bestehenden und am zu erwartenden Fachkräftemangel in Deutschland etwas ändern muss. Die Berufe in den aufgeführten Bereichen müssen für junge Leute wieder attraktiv gemacht werden. Schüler:innen sollten nach ihrem Abschluss nicht nur ein Studium in Erwägung ziehen. Die Politik bemüht sich außerdem, (zukünftige) Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. Jobs im Handwerk, in der Pflege oder im sozialen Bereich bieten einen abwechslungsreiche Arbeitsalltag. Viele Unternehmen sind daran interessiert, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dazu zählen beispielsweise flexiblere Arbeitszeiten, eine faire Bezahlung oder Zusatzleistungen wie eine private Krankenversicherung oder Altersvorsorge. Zudem setzen sich Unternehmen zunehmend dafür ein, mithilfe von sogenannten Ausbildungsbotschafter:innen oder den vermehrten Angeboten von Praktikumsstellen auf die Bandbreite der Berufe für Fachkräfte aufmerksam zu machen.
Du siehst, es gibt genügend Stellen in den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern.
Und du wirst gebraucht!
Der demografische Wandel und die Baby-Boomer
Der Arbeitsmarkt in Deutschland steht vor einer besonderen Herausforderung: In den kommenden Jahren werden viele gut ausgebildete Arbeitnehmer:innen in Rente gehen, während gleichzeitig weniger junge Menschen nachrücken. Diese Situation verschärft sich besonders, wenn die sogenannte Baby-Boomer-Generation, geboren zwischen 1946 und 1964, in den Ruhestand gehen wird.4 Die aktuelle Altersstruktur siehst du in dieser Grafik:
*Der Begriff „Erwerbsperson” fasst Selbständige, Angestellte und Arbeitssuchende zusammen.
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Barrierefreiheit im Bewerbungsprozess
- Tagesschau: Fachkräftemangel 2022 auf Rekordniveau ↩︎
- Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Fachkräfte für Deutschland ↩︎
- ZEIT online: Sechsstellige Zahl an Handwerkern fehlt ↩︎
- Destatis: Demografischer Wandel ↩︎